Krankenkasse verweigert Hilfe

Mit 13 Jahren erkrankte ich 2003 an Myasthenie. Es fing an mit leichten Symptomen wie Probleme beim Haare waschen, Verschlechterung der Mimik, Schluckprobleme, Heiserkeit und hängende Augenlider. Nach kürzester Zeit hatte ich alle möglichen Symptome. Es folgten viele Arztbesuche ohne die richtige Diagnose. Die meisten Ärzte stuften mich als psychisch krank ein oder vermuteten falsche Ursachen wie Tumore an den Stimmbändern.
Erst ein Neurologe, der eine Blutabnahme verordnete, die den Antikörpertiter bestimmt, stellte die richtige Diagnose.

Noch am selben Tag, am 10.07.2003, wurde ich aufgrund akuter Atemnot und einem Aussetzer der Schluckfunktion ins Krankenhaus eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt lag mein Antikörperspiegel bei 61,7nmol/l und die Thymusdrüse war noch unauffällig. Anfangs verbesserte sich mein Zustand etwas durch die Einnahme von Pyridostigmin (Tagesdosis 200 mg). Daher wurde ich am 27.07.03 entlassen.

Jedoch verschlechterte sich mein Zustand wieder, obwohl die Tagesdosis von Pyridostigmin auf 550 mg erhöht wurde, so dass ich am 6.08.03 wieder stationär aufgenommen wurde.

Ab dem 1.09.03 begann die Behandlung mit Decortin, die zunächst von 25 mg auf 50 mg stieg. Danach bekam ich Immunglobulin. Alles nützte wenig, denn die Symptome verschlechterten sich von Tag zu Tag. Irgendwann konnte ich mich kaum noch bewegen. Kurze Zeit zu sitzen und auf die Toilette zu gehen, fiel mir schon schwer. Essen konnte ich nur morgens. Ich nahm ca. 10 kg innerhalb von 1-2 Monaten ab. Nicht selten verspürte ich Atemnot. Plötzlich vertrug ich Mestinon nicht mehr. Das Seltsame war, dass ich Symptome von Überdosierung und von Unterdosierung hatte.

Am 13.10. wurde ich abends ohnmächtig, weil ich keine Luft mehr bekam. Nach der Wiederbelebung auf der Intensivstation wurde ich mit einer Maske beatmet. Die nächsten Tage waren von lebensbedrohenden cholinergen Krisen und myasthenien Krisen geprägt.
Nach einem Testilontest wurde ich wieder ohnmächtig wegen einer Überdosierung. Daher wurde ich sofort intubiert und mehrere Wochen lang täglich 24 Stunden beatmet. Zu dem Zeitpunkt war ich völlig gelähmt.

Am 5.11.03 wurde eine Punktions-Tracheotomie durchgeführt, weil die vielen Extubations- versuche aufgrund der starken Verschleimung und meiner körperlichen Schwäche immer wieder scheiterten. Ich wurde täglich und an manchen Tagen sogar zweimal am Tag bronchoskopiert wegen der starken Verschleimung. An manchen Tagen war mein Speichel so zäh wie Kaugummi. Innerhalb von zwei Minuten war ein großes Handtuch voller Speichel.

Ich fiel von einer Krise in die nächste Krise. Meistens überlagerten sich cholinerge Krise und myasthene Krise. Oft bekam ich Entzündungen. Damit ich die körperlichen Anstrengungen aushalte, wurde ich die ganze Zeit auf der Intensivstation (ca. 100Tage) ins Wachkoma gelegt. Wegen der ausgeprägten Unverträglichkeit von Mestinon bekam ich ein paar Tage kein Mestinon mehr. Danach wurde die Dosis von Mestinon von 0 mg in Teilschritten auf 0,2 mg langsam gesteigert. Obwohl mein Körper einerseits das Mestinon brauchte, vertrug er es nicht. Das Mestinon wurde extra in der Apotheke in Kapseln hergestellt, weil es von den Pharmafirmen nicht in so geringen Mengen geliefert wird.

Es hat Jahre gedauert, bis ich bei 70 mg pro Gabe angelangt war. Sogar jetzt, nach 5 Jahren, vertrage ich Mestinon nicht ohne weiteres. Öfters muss ich die Dosis reduzieren und dann, wenn möglich, mit Mühe wieder steigern, damit ich wieder stärker werde.

Im Krankenhaus begann die Therapie mit Azathioprin (50 mg). Eine PEG wurde gelegt, denn die Sonde, durch die ich die Sondenkost bekam, musste entfernt werden. Der Antikörpertiter lag nun bei 300nmol/l. Die Thymusdrüse vergrößerte sich, so dass ich am 11.12.03 operiert wurde, obwohl mein Zustand alles andere als stabil war. Nach der Entfernung der Thymusdrüse, die so groß war wie eine große Männerfaust, verringerte sich der Antikörperspiegel. Langsam konnte ich mich mit Hilfe aufrichten und kurze Zeit stehen oder paar Schritte gehen.
Aber der Versuch, das Tracheostoma zu entfernen und mich auf eine Maskenbeatmung umzustellen, scheiterte an der weiterhin bestehenden starken Verschleimung und meiner Schwäche.

Am 27.02.04 wurde ich endlich nach Hause entlassen. Mehrere Versuche, eine Sprechkanüle einzusetzen, funktionierten nicht, weil das Zwergfell zu schwach ist, meine Stimmbänder ständig verschleimt sind und der Speichel immer in die Lungen gelangt. Daher kann ich auch schon seit 5 Jahren nicht mehr reden. Nur schriftlich kann ich mit Freunden oder Verwandten ,,reden“.

Es startete die Therapie mit Cicloral. Irgendwann wurde Cicloral für Azathioprin ersetzt, weil Azathioprin auch bei der Höchstdosis nicht die gewünschten Erfolge erzielte. Auch die Erhöhung von Kortison auf die Höchstdosis über längere Monate brachte kaum etwas. Auch der Therapiebeginn mit Cell Cept zeigt nur minimale Erfolge.

Es hat Jahre gedauert, bis ich überhaupt etwas essen, trinken oder meinen Speichel schlucken konnte. Erst seit Ende 2007 kann ich so viel essen, dass es für den täglichen Bedarf ausreicht, so dass am 1.10.07 die PEG entfernt wurde. Jedoch verschlucke ich mich noch ab und zu beim Essen und der Speichel fließt bei offener Kanüle meistens in die Lungen. Aber auch, wenn die Kanüle geblockt ist, werde ich, je nach körperlicher Verfassung, 20-30 mal am Tag abgesaugt. Daher funktionierten auch die vielen weiteren Versuche nicht, die Kanüle zu entfernen.

Wegen der langen Zeit, die ich die Kanüle habe und den seltenen Tage, an denen ich die Kanüle entblocken kann, habe ich seit Mai 2008 sehr schmerzhafte Druckstellen im Hals. Auf den Rollstuhl bin ich weiterhin angewiesen, auch wenn ich schon je nach Tagesverfassung bis zu 150 Meter gehen kann. Treppen steigen ist extrem schwierig und ich benötige Hilfe. Oft klappt das Treppensteigen gar nicht.

Anfang 2008 hat man eine beginnende Lungenfibrose festgestellt. Ich werde immer noch täglich 12 Stunden lang beatmet, manchmal auch länger, und werde 24 Stunden an Tag betreut.

Seitdem ich krank bin, bekomme ich Hausunterricht. Den dauerhaften Hausunterricht bewilligt zu bekommen, war wirklich schwer. Dafür mussten viele Gespräche mit der Schulministerin Barbara Sommer und dem zuständigen Ministerialbeamten geführt werden. Mein Hausunterricht von 10 Stunden pro Woche und das Schreiben von Klausuren unter Sonderbedingungen wurde zum Glück genehmigt.

Jetzt muss allerdings bewilligt werden, dass ich unter Sonderbedingungen das Abi machen kann. Denn aufgrund der Schwäche kann ich nicht auf einmal die geforderte Stundenanzahl schreiben. Deswegen steht es noch in den Sternen, ob ich 2009 mein Abi machen darf.

Zur Zeit nehme ich täglich 2000 mg Cell Cept, 300 mg Cyclosporin, 10 mg Decortin und 530 mg Pyridostigmin. Jetzt soll eine Therapie mit Rituximab gestartet werden, wenn die Krankenkasse es bewilligt. Zwei Anträge wurden schon abgelehnt.

Es ist unglaublich, dass einem ein Medikament nicht genehmigt wird, obwohl man so schwer betroffen ist und es Möglichkeiten auf eine Verbesserung gibt. Die Sachbearbeiter der MDK und meine Krankenkasse stellen sich quer und wollen es nicht genehmigen. Die Begründung für die Ablehnung war lächerlich und ich erkannte, dass der Sachbearbeiter der MDK meine Unterlagen nicht einmal gelesen hat. Dabei würde die Krankenkasse sehr viel Geld sparen, wenn es mir durch Rituximab besser gehen würde. Ich hoffe, dass es bewilligt wird und dass ich irgendwann einmal so gesund sein werde, dass ich ein halbwegs normales Leben führen kann.

Sandra

2 Kommentare zu “Krankenkasse verweigert Hilfe

  1. Barbara Kehr sagt:

    Hallo Sandra,
    ich würde gerne wissen, ob es dir inzwischen besser geht. Vielleicht hast du Lust Kontakt aufzunehmen?
    Du findest mich unter Mya-Beatmungskreis@t-online.de

    Herzliche Grüße,
    Barbara Kehr

  2. Jutta sagt:

    Hallo Sandra,

    dass tut mir sehr leid für dich. Wie wär es denn, wenn du dich mit Herrn Rohn, unserem Vorstandsmitglied, in Verbindung setzt?

    Er ist auf Off-Label-Use spezialisiert und wird dir bestimmt helfen. Dir alles Gute weiterhin.

    LG Jutta

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