Rund drei Millionen Menschen sind in Deutschland in einer der ca. 70.000 Selbsthilfegruppen aktiv. Die Gruppen leisten wichtige soziale und aufklärerische Arbeit: Sie informieren über Ärzte, Diagnose- und Therapieverfahren; der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen gibt Kraft für den Umgang mit der Erkrankung.
Dennoch begegnen viele Menschen den Organisationen mit Vorurteilen: Da werde die ganze Zeit nur über Krankheit lamentiert. Oder: Die Gruppen seien doch alle von der Pharmaindustrie unterlaufen und korrumpiert.
Besonders Jüngere sehen das Internet als Alternative zu einer Selbsthilfegruppe. Sie suchen online nach Informationen sowie Kontakten und Austausch mit anderen Betroffenen.
Aber kann das Internet die persönliche Arbeit in den Gruppen ersetzen? Ist das Netz gar eine Konkurrenz für die Selbsthilfeorganisationen?
Diese Frage wird in vielen Foren diskutiert, führt aber – da sie eine unproduktive Frontstellung bietet – nicht weiter. Das Web schafft eine riesige Öffentlichkeit. Über eine aktuelle und umfassende Internetpräsenz können die Gruppen über ihre Angebote informieren und kommunizieren. Mitglieder, die im Umgang mit dem PC vertraut sind, werden schnell erreicht, neue können gewonnen werden.
Um auch junge Menschen anzusprechen, darf die Selbsthilfe nicht in alten Strukturen verharren. Die Gruppen müssten zu „Orten des Lebens und der Freizeitgestaltung, der Identitätsbildung, der Netzwerkbildung, der Freundschaften werden“, fordert der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Prof. Frank Schulz-Nieswandt auf einer AOK-Diskussion über die Zukunft der Selbsthilfe.
Klingt gut, auch wenn die Postulate an ein Soziologie-Lehrbuch für die Oberstufe erinnern.
Zudem sind diese Zielvorstellungen in einzelnen Bereichen der Selbsthilfe bereits Alltagspraxis.
Beispiel: Deutsche Myasthenie Gesellschaft: Viele Regionalgruppen sind mit ihren regelmäßigen Treffen für die Mitglieder zu „Orten der Freizeitgestaltung, der Identitätsbildung und der Freundschaften“ geworden. Und auch auf überregionalen Veranstaltungen ist neben dem informativ-sachlichen Teil das Miteinander wichtig.Für Jüngere gibt es darüber hinaus den Bereich der Jungen Myastheniker.
Dabei bleibt die Hauptaufgabe immer die gleiche: Es geht um eine umfassende Beratung und Unterstützung der Betroffenen. Geändert haben sich die Begrifflichkeit – sprach man früher von Gruppen, heißen sie heute soziale Netzwerke – und die Informationstechnologie.