Dienstag, 30. Juli 2013, BMG – Bundesministerium für Gesundheit – Pressemitteilung –
Berlin – Das „Gesetz“ zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung tritt am 1. August 2013 in Kraft. Durch das Gesetz werden Versicherten in bestimmten Fällen die Beitragsschulden erlassen. In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Säumniszuschläge von 5 Prozent auf 1 Prozent reduziert. In der privaten Krankenversicherung wird ein Notlagentarif für säumige Beitragszahler eingeführt.
Nachfolgend die Regelungen im Einzelnen und ausgewählte Beispiele:
Neuregelungen für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
Von den Neuregelungen profitieren insbesondere Personen, die sich trotz der seit dem 1. April 2007 bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung verspätet oder noch nicht bei einer Krankenkasse gemeldet und dadurch Beitragsschulden angehäuft, aber nie Leistungen in Anspruch genommen haben. Diese Personen sollten sich bis zum 31. Dezember 2013 bei der Krankenkasse melden, sie bekommen die Beitragsschulden für zurückliegende Zeiträume sowie die Säumniszuschläge erlassen und können ihre Versicherungspflicht erfüllen.
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht für alle Personen, die keine andere Absicherung im Krankheitsfall haben und vorher schon einmal in der GKV versichert waren oder der GKV zuzuordnen sind (dies wird als „nachrangige Versicherungspflicht“ bezeichnet). Auch nachrangig versicherungspflichtige Mitglieder, die sich bereits bei einer Krankenkasse versichert haben, bekommen für den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Versicherungspflicht am 1. April 2007 und der Meldung bei der Krankenkasse die Beitragsschulden und die Säumniszuschläge rückwirkend erlassen.
Hintergrund ist, dass die Betroffenen mit der Einführung der gesetzlichen Versicherungspflicht Beiträge zahlen müssen, unabhängig davon, ob sie sich bei der Krankenkasse gemeldet haben. Das hat dazu geführt, dass diese Personen für zurückliegende Zeiträume Schulden angehäuft haben. In Einzelfällen müssen Beiträge für mehr als sechs Jahre nachgezahlt werden. Mit dem Erlass der Beitragsschulden sollen die Betroffenen die Möglichkeit erhalten, laufende Beitragszahlungen aufzunehmen und so ihren Versicherungsschutz uneingeschränkt in Anspruch nehmen zu können.
Auf die Beitragsschuld wurden bisher erhöhte Säumniszuschläge von 5 Prozent pro Monat erhoben. Eine weitere Neuregelung sieht vor, dass rückwirkend die erhöhten Säumniszuschläge erlassen werden und der Säumniszuschlag auch in Zukunft nicht mehr 5 Prozent, sondern 1 Prozent beträgt. Von dieser Neuregelung profitieren auch die freiwillig Versicherten.
Die Neuregelungen ermöglichen einerseits eine spürbare finanzielle Erleichterung für die Betroffenen, andererseits bleibt gegenüber den zahlenden Mitgliedern der Solidargemeinschaft das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit gewahrt. Denn die Regelungen zum Erlass des erhöhten Säumniszuschlags und der Schulden beschränken sich ausschließlich auf den Zeitraum der rückwirkend festgestellten Versicherungspflicht. Einen Zeitraum also, für den in der Regel keine Leistungen gewährt wurden. Ein Erlass der regulären Beiträge, z. B. für säumige freiwillig versicherte Selbständige, ist aus diesem Grund nicht vorgesehen. Diese konnten trotz Beitragsschulden Leistungen in Anspruch nehmen und ihnen war zudem die Beitragspflicht – im Gegensatz zu nicht gemeldeten Mitgliedern – bekannt.
In der Praxis können sich folgende Fallkonstellationen ergeben. Individuell kann es zu anderen Fallkonstellationen kommen, die mit der Krankenversicherung besprochen werden sollten.
Beispiel 1: Eine Person, die der Versicherungspflicht unterliegt und sich bei der Krankenkasse bisher nicht gemeldet hat, holt dies bis zum 31. Dezember 2013 nach. Die Beitragsschuld für den Zeitraum zwischen dem 1. April 2007 bis zur Meldung bei der Krankenkasse (spätestens 31. Dezember 2013) wird im Regelfall vollständig erlassen. Die Säumniszuschläge, die für diesen Zeitraum erhoben werden könnten, werden im Regelfall ebenfalls vollständig erlassen.
Beispiel 2: Eine Person, die seit dem 1. April 2007 der Versicherungspflicht unterliegt, meldet sich nach dem 31. Dezember 2013 (z. B. am 1. März 2014) bei der Krankenkasse. Die Beitragsschuld und Säumniszuschläge für den Zeitraum zwischen dem 1. April 2007 und dem 28. Februar 2014 werden im Regelfall angemessen ermäßigt (aber nicht vollständig erlassen).
In Fällen, in denen ein Mitglied Arbeitslosengeld bezieht oder hilfebedürftig ist und daher Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) hat, zahlt die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Jobcenter die Krankenversicherungsbeiträge während des Leistungsbezugs.
Beispiel 3: Eine Person, die seit dem 1. April 2007 in der GKV versicherungspflichtig ist, hat sich am 1. Januar 2010 bei einer Krankenkasse gemeldet und zahlt seither unregelmäßig Beiträge. Die Beitragsschuld und Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2009 werden im Regelfall vollständig erlassen. Die Beitragsschuld im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis heute bleibt bestehen, weil der Person ihre Beitragspflicht bekannt war und sie Leistungen in Anspruch nehmen konnte. Die Krankenkassen haben aber schon nach heutigem Recht die Möglichkeit, den Einzelfall individuell zu prüfen und Beitragsschulden zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen. Ausstehende Säumniszuschläge ab dem Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis heute werden von 5 Prozent auf 1 Prozent ermäßigt. Zudem zahlt im Fall von Hilfebedürftigkeit und Alg II-Bezug das Jobcenter die Beiträge während des Leistungsbezugs.
Beispiel 4: Eine Person ist freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und hat schon mehrere Monate die Beiträge nicht bezahlt. Der bisherige Säumniszuschlag von 5 Prozent pro Monat wird auch für freiwillig versicherte Mitglieder rückwirkend und für die Zukunft auf monatlich 1 Prozent gesenkt. Damit reduzieren sich die aufgelaufenen Schulden für das freiwillige Mitglied. Die Krankenkasse kann den Einzelfall prüfen und, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, Beitragsschulden stunden, niederschlagen oder erlassen. Im Fall von Hilfebedürftigkeit und Alg II-Bezug übernimmt das Jobcenter die Beiträge während des Leistungsbezugs.
Beispiel 5: Ein Selbständiger ist freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und kann wegen der schlechten Auftragslage schon lange keine Beiträge bezahlen. Die Säumniszuschläge werden rückwirkend und auch in Zukunft von derzeit 5 Prozent der Beitragsschuld auf 1 Prozent reduziert. Die Krankenkasse kann den Einzelfall prüfen und, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, Beitragsschulden stunden, niederschlagen oder erlassen. Unabhängig von den Regelungen des vorgenannten Gesetzes ist aber ggf. eine Ermäßigung der laufenden Beitragszahlung möglich, wenn das Arbeitseinkommen eines Selbständigen aufgrund der schlechten Auftragslage um mehr als ein Viertel des über den Einkommensteuerbescheid zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert ist. Für nähere Informationen sollten sich Betroffene direkt an ihre Krankenkasse wenden.
Ist ein Selbständiger bedürftig, zahlt er einen verringerten Beitrag in Höhe von derzeit rund 200 Euro pro Monat. Die Krankenkasse prüft, ob die Voraussetzungen für Bedürftigkeit vorliegen.
Neuregelungen für den Bereich der privaten Krankenversicherung
Nichtversicherte, die der privaten Krankenversicherung (PKV) zuzuordnen sind und trotz bestehender Versicherungspflicht in der PKV (seit dem 1.1.2009) bisher noch keinen Vertragsabschluss verlangt haben, können bis zum 31. Dezember 2013 einen Vertragsabschluss verlangen, ohne dass dafür ein ansonsten erforderlicher Prämienzuschlag berechnet wird. Damit wird für bislang nicht versicherte Personen der Zugang zur privaten Krankenversicherung erleichtert.
Zudem wird in der PKV ein Notlagentarif für säumige Beitragszahler eingeführt. Die Umstellung in den Notlagentarif erfolgt nach Abschluss eines gesetzlich festgelegten Mahnverfahrens. Der Notlagentarif enthält einen reduzierten Leistungsumfang, in dem vor allem die Akutversorgung sichergestellt ist. Die gesundheitlichen Belange von im Notlagentarif versicherten Kindern und Jugendlichen werden besonders berücksichtigt.
Mit der Einführung des Notlagentarifs wird der Abbau von Beitragsschulden für die Betroffenen erleichtert und das Rückkehrrecht in den ursprünglichen Tarif gestärkt. Denn bisher sah das Gesetz vor, dass säumige Beitragszahler nach 12 Monaten Beitragsrückstand in den Basistarif überführt werden, wodurch sich die Beitragslast für den Einzelnen erhöhte. Diese Personen werden ab dem 1. August – auch rückwirkend – in den Notlagentarif überführt, so dass nicht nur zukünftige, sondern auch die bereits aufgelaufenen Beitragsschulden aufgrund der zu erwartenden deutlich niedrigeren Prämie im Notlagentarif in der Regel deutlich reduziert werden. Der Notlagentarif ist ein Tarif für vorübergehende finanzielle Notlagen: Menschen, die aufgrund einer akuten finanziellen Notlage ihren Beitrag zur PKV nicht entrichten können, soll damit die Möglichkeit gewährt werden, die Beitragslast für einen begrenzten Zeitraum spürbar zu reduzieren. Wenn es ihnen wieder besser geht und sie die ausstehenden Beiträge beglichen haben, haben sie einen Anspruch darauf, wieder in ihren vorherigen Tarif zu wechseln. Alterungsrückstellungen werden während der Zeit im Notlagentarif nicht aufgebaut.
Die privaten Krankenversicherungsunternehmen müssen ihre Versicherten umfassend über den Notlagentarif informieren. Sie müssen auch auf die Folgen hinweisen, dass während der Versicherungszeit im Notlagentarif keine Alter-Rückstellungen gebildet werden.
Weiterhin gelten die finanziellen Erleichterungen für hilfebedürftige Versicherte: Privat krankenversicherte Personen, die hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs (SGB II oder SGB XII) sind oder durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags hilfebedürftig würden, können in den Basistarif wechseln – dessen Leistungen sind nach Art und Umfang mit der GKV vergleichbar. Im Basistarif gilt für sie ein halbierter Versicherungsbeitrag, aktuell maximal rund 305 Euro. Können hilfebedürftige Personen auch diesen halbierten Beitrag nicht aufbringen, beteiligt sich der Grundsicherungs- / Sozialhilfeträger im erforderlichen Umfang an dem Versicherungsbeitrag bzw. übernimmt ihn vollständig. In der Praxis können sich folgende Fallkonstellationen ergeben. Individuell kann es zu anderen Fallkonstellationen kommen, die mit dem privaten Krankenversicherungsunternehmen besprochen werden sollten.
Beispiel 1: Eine Person, die bereits privat versichert ist, zahlt ihre Beiträge nicht oder nur unregelmäßig. Bei privat Versicherten, die Beiträge nicht oder nicht vollständig entrichten, werden die Verträge ruhend gestellt. Ihnen werden dann nur noch die Kosten für Leistungen der Akutversorgung (inkl. Schwangerschafts- und Mutterschaftsleistungen) erstattet. Nach altem Recht würden sie weiter Monat für Monat hohe Beitragsschulden anhäufen. Das Gesetz sieht nun vor, dass diese Personen zum 1. August in den sogenannten Notlagentarif der PKV überführt werden. Der Beitrag ist hier deutlich niedriger und soll nach Angaben der PKV etwa 100 bis 125 Euro pro Monat betragen. Wenn der Versicherte nicht widerspricht, wird der Vertrag auch rückwirkend in den Notlagentarif umgestellt. Damit werden auch die bereits angehäuften Beitragsschulden deutlich reduziert.
Beispiel 2: Eine bislang nicht versicherte Person, die der Versicherungspflicht in der PKV unterliegt, versichert sich bis zum 31. Dezember 2013. Seit dem 1.1.2009 besteht auch für die der PKV zuzuordnenden Personen Versicherungspflicht. Wer dieser Pflicht verspätet nachkommt, muss einen einmaligen Prämienzuschlag entrichten, dessen Höhe vom Beitrag und der Dauer der Nichtzahlung abhängt. Der Zuschlag kann eine Höhe von bis zu 15 Monatsbeiträgen umfassen. Durch das Gesetz wird nun dieser Prämienzuschlag dann erlassen, wenn Versicherte noch bis zum 31. Dezember 2013 einen Krankenversicherungsvertrag beantragen.
Die Person wird also – trotz verspäteter Versicherungspflicht – so behandelt, als ob sie erst jetzt der Versicherungspflicht unterläge.
Beispiel 3: Eine bislang nicht versicherte Person, die eigentlich der Versicherungspflicht in der PKV unterliegt, versichert sich nach dem 31. Dezember 2013. Ab 1. Januar 2014 gilt wieder, dass im Fall des verspäteten Abschlusses eines Krankenversicherungsvertrags in der PKV ein einmaliger Prämienzuschlag zu entrichten ist, dessen Höhe sich an der Dauer der Nichtversicherung orientiert (insgesamt bis zu 15 Monatsbeiträge). Das Gesetz erleichtert es Betroffenen, mit dem Versicherungsunternehmen Stundungsregelungen zu vereinbaren.