Auch Myasthenie-Betroffene können zusätzlich eine MS haben

MULTIPLE SKLEROSE IST EINE KRANKHEIT DES IMMUNSYSTEMS
Internationales Forscherkonsortium findet 29 neue MS Genvarianten – Forscher aus Mainz beteiligt
Mainz  –  Wissenschaftler haben 29 neue genetische Varianten identifiziert, die mit der Krankheit Multiple Sklerose assoziiert sind. Viele der Gene, die im Rahmen der Studie identifiziert werden konnten, gehören zum Immunsystem – das somit  entscheidend ist in der Entwicklung der Krankheit. Heute wurde die Arbeit des internationalen For-scherkonsortiums unter Federführung der Universitäten Cambridge und Oxford in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Es ist die bisher größte genetische Studie zu Multipler Sklerose. Mehr als 250 Forscher in 23 Forschergruppen aus 15 Ländern – darunter auch eine Forschergruppe der Klinik für Neurologie der Uni-versitätsmedizin Mainz – waren beteiligt. Multiple Sklerose ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems  bei jungen Erwachsenen – alleine in Deutschland sind derzeit mehr als 120.000 Menschen betroffen. Bei der Erkrankung wird die schützende Hülle  (Myelinschicht), mit der die Nervenfasern im Gehirn und im Rückenmark ummantelt sind, geschädigt, so dass Erregungssignale nicht mehr weitergeleitet werden. Ebenso werden die Nervenfasern selbst geschädigt. Die Folgen sind, je nachdem welche Bereiche des Nerven-systems angegriffen werden, unter anderen Gehbehinderungen, Taubheitsempfindungen oder Sehstörungen. Die heute veröffentlichen Ergebnisse betonen die grundlegende Rolle des Immunsystems bei der Zerstörung der Nervenzellen und helfen zu verstehen, wie genau der Immunangriff auf Gehirn und Rückenmark aussieht. Im Rahmen der Studie untersuchten die Wissenschaftler, die im „International Multiple Sclerosis Genetics Consortium“ und im „Wellcome Trust Case Control Consortium“ zusammengeschlossen sind, die Erbsubstanz von 9.772 Personen mit Multipler Sklerose und von 17.376 gesunden Kontrollpersonen. Das internationale Forscherteam konnte 23 bereits bekannte genetische Assoziationen bestätigen sowie 29 weitere neue genetische Varianten identifizieren, die mit der Entstehung von Multipler Sklerose zusammen-hängen. Viele dieser Gene spielen eine grundlegende Rolle bei der Arbeit des Immunsystems, insbesondere bei der Funktion bestimmter Immunzellen, den so genannten T-Zellen, und bei der  Aktivierung bestimmter Botenstoffe, der Interleukine. T-Zellen sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen: Sie sind verant-wortlich für die Vermittlung einer Immunantwort gegen körperfremde Substanzen, spielen aber auch bei Autoimmunerkrankungen eine Rolle. Interessant ist,  dass ein Drittel der neu identifizierten Gene auch im Zusammenhang mit  weiteren Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Typ 1 Diabetes eine  Rolle zu spielen scheint. Dies könnte bedeuten, dass in verschiedenen Autoimmunerkrankungen die gleichen grund-legenden Mechanismen ablaufen, so die Forscher. Darüber hinaus hatten frühere Studien einen Zusammenhang zwischen Vitamin D Mangel und einem erhöhten Multiple Sklerose Risiko nahe gelegt. Neben den zahlreichen identifizierten Genen, die eine direkte Rolle im Immunsystem spielen, konnten die Forscher auch zwei Gene ausmachen, die in den Vitamin D Stoffwechsel involviert sind. Dies wäre eine mögliche Verbindung zwischen den genetischen und den umweltbedingten Risikofaktoren der Multiplen Sklerose.
Alastair Compston von der Universität Cambridge erläutert: „Unsere Forschung beendet die lang anhaltende Debatte darüber, was der erste Schritt in der komplexen Entwicklung der Multiplen Sklerose ist. Es ist nun klar, dass die Multiple Sklerose primär eine immunologische Krankheit ist, denn die mit der Erkrankung assoziierten Merkmale sind in  der Mehrzahl immunolgisch relevante Gene.“ „Unsere Ergebnisse unterstrei-chen den Wert großer genetischer Studien zur Identifizierung von Schlüsselprinzipien, die weit verbreiteten menschlichen Erkrankungen  zugrunde liegen“, ergänzt Peter Donnelly vom „Wellcome Trust Case Control Consortium“, Universität Oxford. „Solche Studien sind ohne ein großes internationales Forschungsnetzwerk – wodurch die Daten einer sehr  großen Anzahl an Patienten zur Verfügung stehen – schlicht nicht möglich.“
„Nach vielen Jahren kleinerer genetischer Untersuchungen zur Multiplen Sklerose ist es nun in einem internationalen Ansatz gelungen, das gesamte Genom – unsere genetische Information – auf Faktoren hin zu
untersuchen, die an der Entwicklung der Krankheit beteiligt sind“, erläutert die Neurologin Prof. Frauke Zipp, die die Forschergruppe an  der Universitätsmedizin Mainz leitete. „Die meisten Faktoren stammen aus unserem Abwehrsystem, dem Immunsystem. Somit wissen wir nun, dass es sich tatsächlich um eine Auto-immunkrankheit handelt und dass wir weiter an der Entwicklung anti-entzündlicher Therapien arbeiten müssen.“ Prof. Frauke Zipp ist Mitglied im Krankheitsbezogenen Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS), das die Studie im Rahmen seiner Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt hat. Weiterhin wurde die Studie durch den britischen „Wellcome Trust“ und der  deutsche Anteil durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung  finanziert.
Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Frauke Zipp
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Telefon 06131  17-7156, Fax 06131  17-5697
E-Mail: zipp@uni-mainz.de, Homepage: www.unimedizin-mainz.de/neurologie
Pressekontakt
Dr. Renée Dillinger-Reiter, Stabsstelle Kommunikation und Presse Universitätsmedizin Mainz,
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